Sonntag, 14. März 2010

40 Tage Buenos Aires [28]


Tag 28, Sonntag, 14. März 2010: El Tigre.
Am Hafen von Tigre, im Vordergrund zeigt an einer Ruderschule ein Vater seiner Tochter einen von vielen toten Fischen, die hier angeschwemmt wurden.

Der Freitag ist der Abend für die Freunde, der Samstag der für die Freundin bzw. Ehefrau (oder umgekehrt? Ich weiß es nicht mehr, bin mit Kind irgendwie raus aus diesem Rhythmus), und am Sonntag trifft sich die ganze Familie, traditionell natürlich beim Asado bei den Großeltern. Und wer kann, verlässt am Wochenende oder zumindest an einem der Tage die Großstadt, heute haben mich wieder H. & J. mit Tochter E. mitgenommen, wir haben einen Ausflug in den Norden von Buenos Aires gemacht, nach Tigre. Tigre ist eine kleine Stadt im Delta des Paraná, nur etwa 30km von Buenos Aires entfernt und ein beliebtes Ausflugsziel. Wir fahren mit dem Auto, es fährt aber auch ein Zug. Die Häuser in Tigre sind niedrig, die Straßen von Platanen gesäumt, und im Zentrum des Interesses stehen der Hafen mit Ausflugsschiffen und Ruderschulen am Ufer, der Vergnügungspark mit Riesenrad und Achterbahn sowie vor allem der "Puerto de frutas", der Fruchthafen, der von Früchten nichts mehr hat außer dem Namen. Seit vielen Jahren werden dort typische Korbmöbel verkauft - und mittlerweile auch jede Menge Touristenkram wie auf jedem Handwerkermarkt hier.
Nach einem Spaziergang am Ufer entlang, den E. mäßig findet, und einem Mittagessen, das wir mäßig finden, wollen wir einerseits auf den Korbmöbel-Markt, andererseits einen Ausflug mit einem der Boote ins Delta machen, vielleicht zu einer der Inseln. Wir fangen mit dem Markt an, und nicht nur wir; nach einer guten Stunde im Gedrängel zwischen den Buden an den alten Lagerhallen, die heute neben den erwarteten Möbel Stände mit Lederwaren, Schaffellen, Ketten aus bunten Samen, Häkelklamotten und Räucherstäbchen enthalten, will E. nur noch ein Eis und Baby B. will dringend laufen oder krabbeln, was am Hafen und zwischen all den Tagestouristenfüßen etwas schwierig ist. Außerdem ist es warm und stichig, das Licht auch für Fotos nicht befriedigend, und es wird immer voller.
Schließlich blasen wir die Bootsfahrt ab, die beiden unruhigen Kinder nun für eine Stunde auf ein Schiff zu sperren, scheint uns ziemlich die dümmste Idee der Woche zu sein, und sie für die Aussicht auf hübsche Inseln im Delta zu begeistern nicht besonders erfolgversprechend. Stattdessen machen wir, was man am Sonntag tun soll, und fahren zu den Eltern von J., die in der Provinz wohnen, um dort mit der Familie im Garten Mate zu trinken. Der Bruder mit Frau und Sohn ist auch schon da, die Kinder spielen zusammen im Sandkasten zwischen einem Avocado- und einem Zitronenbaum, und der zweite Teil des Ausflugs ist trotz des nun fehlenden Wassers klar der entspanntere.

Die Nutzung der Autobahnen kostet in Argentinien Maut, und da die einzelnen Teilstücke in Privatbesitz sind, wird alle paar Kilometer neu und ein ziemlich willkürliche Betrag kassiert. Zu Stoßzeiten , wenn in und um den Großraum Buenos Aires der private und öffentliche Verkehr kollabiert, kosten noch etwas mehr als die weniger frequentieren Zeitfenster, all das bietet Gelegenheit, sich alle paar Kilometer wieder über die Diebe und Wegelagarer der Mautstellen zu beschweren, zumal offenbar nur ein sehr geringer Teil des Geldes in den Erhalt der Staßen investiert wird. "Sie kassieren, was sie wollen, und sie machen damit, was sie wollen", fassen meine Freunde frustriert zusammen. Wir legen ein Teilstück, das uns vom Tigre in ein Dorf im Westen der Provinz Buenos Aires bringen soll, auf der relativ neuen, 23 km langen Autobahn "Camino del Parque del Buen Ayre" zurück. "Buen Ayre" mit Y bezieht sich auf Santa María del Buen Ayre, unter diesem Namen gründete am 2. Februar 1536 der Spanier Pedro de Mendoza dort, wo heute das Viertel San Telmo liegt, die Stadt am Río de la Plata. Außerdem klingt es natürlich nach "buen aire", aire bueno, guter Luft: "Weg des Parks der Guten Luft." Dieser Name ist ein Hohn. Links der Autobahn ist ein großes neues Armenviertel entstanden (hier heißen die Slums "Villa", in Peru euphemistisch "Pueblo Joven", also "Junges Dorf", in Chile einfach "Población", das ist schlicht "Ort"; der in Deutschland geläufige Begriff "Favela" ist brasilianisch). Auf der anderen Seite zieht sich augenscheinlich ein Grüngürtel entlang, ökologischer Ausgleich, grüne Lunge, möchten man meinen. Verdächtig sind allerdings die aus dem Rasen ragenden Betonkuben und Luken, die Schornsteine - und schließlich die Lastwagen und Bagger. Tatsächlich ist dieser breite Grünstreifen, der kilometerlang parallel zur Straße läuft, eine einzige große Müllkippe, die mit Gras bepflanzt ist, die Luken sind zum Gasablassen, und die Laster bringen ständig neuen Müll aus der Megapolis heran. Soweit zur "guten Luft" und zum Ökopark.
Meine private Ökobilanz ist natürlich genauso verheerend, außer der Fahrt im immerhin vollbesetzten Auto kam mein Wasser selbstverständlich wie immer hier in Plastikflaschen, die sie mir außerdem ebenso selbstverständlich in mehrere Plastiktüten gepackt haben. Und um das Schreiben für Euch mal mit etwas anderem als dem üblichen Wein aus Mendoza zu begleiten, trinke ich heute ein Quilmes zum Blog. Aus der Dose.

1 Kommentar:

  1. Ausflüge mit Kind(ern)....jaja. Vermeide Autofahrten, vermeide Gepäck, vermeide ausgedehnte Mahlzeiten in Ausflugslokalen am Wasser (denn man rennt nur dem Kind hinterher)...kurz: bleib auf dem Spielplatz deines Kiezes!! :-p
    Nein...wenn man sich denn mal aufgerafft hat, dann ists doch toll! Ich mag die argentinischen Kinderhemen, es ist so anders - und doch so gleich! Liebe Grüße! Und halte dich fern von Flohmärkten!

    AntwortenLöschen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.