Montag, 11. Februar 2008

Phantomschmerz

Wir haben doch ein gewisses Talent für dämliche Verletzungen.
Bruder #2 betreibt die Kampfsportart Handball, da bleiben Kiefer- und Nasenbrüche oder Nierenprellungen (hinter dem Tor war eine Mauer, ärgerlich) nicht aus. Seine üblen Karnevalsverletzungen sind vermutlich auf das sträfliche Ignorieren seines Genpools zurückzuführen - als Norddeutscher hat man im Kölner Karneval einfach nichts zu suchen. Und wenn doch, sollte man gut gucken, ob da gerade ein Kölschglas steht, wo man sich hinsetzt. Ansonsten verbringt man den Rest der Woche schon mal auf dem Bauch liegend im Krankenhaus. Immerhin, künstlicher Darmausgang war nicht nötig.

Ich selbst habe vor allem so dämliche wie spektakuläre Fahrradunfälle gebaut, z.B. beim Versuch, das Hinterrad durch beherztes Bremsen vorne anzuheben (klappt und führt unverzüglich zu einer neuen Kieferprellung), oder weil ich auf dem Gepäckträger balancierend fahren wollte. Zu Hause habe ich mich dann damit herausgeredet, mir sei ein Stock in die Speichen gekommen. Es reichten aber auch einfach Kurven auf Schotter oder Kettenabsprünge auf Kastanienlaub, um komplette Salti mortale (mit Szenenapplaus) und ähnliches zu fabrizieren. Als außerordentlich gefährlich für meinen Hinterkopf, Ohnmachten inklusive, haben sich Fensterrahmen, Ecken, Sofakanten erwiesen. Mein Sport ist dagegen erstaunlich verletzungsfrei abgelaufen, und den Speer hab ich wohl mal in die Tartanbahn gerammt, nicht aber in Weitspringer.
Unserem Vater gelingen die schönsten Stürze beim Spazierengehen, wenn er, die Hände in den Hosentaschen, ins Straucheln gerät. Beim Rad- und Skifahren trägt er Helm, der Bürgersteig aber kam überraschend und rauh.
Als Zuschauer einen Handball aufzufangen ist auch keine besonders gute Idee, zumindest nicht, wenn die Kollegen im OP sich darauf verlassen, dass die Finger am nächsten Tag einsatzbereit sind.
Bruder #1 fing schon als kleiner Junge mit Armbrüchen an. Die großen Jungs hatten das Kindergartenkind auf dem Bolzplatz ins Tor gestellt, das hat der dünne Unterarm nicht lange mitgemacht. Jetzt betreibt er neben Dingen wie Kiten auch den schönen, körperlosen Sport Basketball. Finger und Gelenke müssen da schon mal dran glauben, und wie unser Vater seinen quer abstehenden Zeh im Urlaub (wieder eine Bordsteinkante, mit Badelatschen) kurzerhand (bevor der Schmerz im Hirn ankommt) wieder nach vorne gerichtet und getaped hat, mussten auch Bruderfinger schon mal neu ausgerichtet werden. Finger, Knöchel, Sprungelenke, alles nicht besonders spektakulär bei Ballsportarten. Ein neues Level hat Bruder #1 vor fünf Wochen mit Augenverletzungen erreicht. Nur um zwei Freiwürfe rauszuschinden, hat er sich vom Gegner im Auge herumpulen lassen. Schlag aufs und Finger ins Auge ergibt Prellungen, Abschürfungen, Verbeulungen an Orten, von denen man nicht ahnte, dass sie geprellt, abgeschürft, verbeult werden können. Sollten sie wohl eigentlich auch nicht. Sein Sehvermögen hat sich inzwischen wieder von 40 auf 80% hochgearbeitet, und Licht erträgt er auch wieder. Gute Besserung weiterhin, kleiner Bruder!
Wie ich drauf komme? Die Szene wurde, wie ich gerade entdeckte, für das World-Press-Photo 2007 von Profi-Basketballern nachgestellt:
Hier das Foto.

Weder beim Bruder noch bei den Protagonisten des Fotos ist vermerkt, ob die Zeitstrafen dort und Freiwürfe hier letztendlich den Sieg brachten.

(Die World-Press-Photo-2005-Ausstellung, die ich an einem heißen Novembertag in Santiago de Chile besucht habe, war übrigens eine der beeindruckendsten Ausstellung, die ich je gesehen habe.)

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